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Überarbeitungsfibel Teil 1: Von dem Zwang, alles gleichzeitig stattfinden zu lassen

In meiner neuen Blogreihe "Die Überarbeitunsfibel" erzähle ich, worauf es beim Überarbeiten ankommt, welche Fehler Du Schritt für Schritt möglichst in separaten Durchgängen aufstöbern und zukünftig vermeiden kannst, und was ich immer wieder in Lektoraten finde.

Dir ist nicht klar, warum Du Deine Geschichte derart intensiv überarbeiten solltest? Dann schau mal hier rein: 4 Gründe für das gründliche Überarbeiten.

Teil 1: Gleichzeitigkeiten
Von dem Zwang, alles zur gleichen Zeit stattfinden zu lassen


Manchmal kommt es mir tatsächlich wie ein Zwang vor, der die Autoren antreibt, möglichst viele Aktionen zur gleichen Zeit stattfinden zu lassen. Ich nehme mich da nicht aus. Im Eifer des kreativen Schreibgefechts passiert es mir auch gelegentlich. Allerdings landen solche Formulierungen selten im fertigen Buch, da ich sie spätestens beim Überarbeiten ausmerze und umformuliere. Mal ein übertriebenes Beispiel für eine unschöne Gleichzeitigkeit:

"Winkend verabschiedete er sich lachend, während er seinen Rucksack schulterte."

Gut möglich, dass das Lachen und das Schultern des Rucksacks im echten Leben gleichzeitig stattfinden, beim Winken hört es dann aber auf. Denn winken und gleichzeitig den Rucksack schultern, wird schon schwierig.
Aber darum geht es auch nicht. 
Natürlich wollen wir Autoren eine Szenerie möglichst vollständig beschreiben, um beim Leser Bilder hervorzurufen, dennoch erzählen wir eine Geschichte. Und die erzählen wir Schritt für Schritt. Wir schreiben also chronologisch.

Deshalb ist es zum Beispiel auch nicht nötig (und sogar entsetzlich unschön) zu schreiben "und dann", "jetzt", "danach" etc. Aber das ist ein anderer Punkt.

Wenn wir nun aus dem obigen Beispiel die einzelnen Aktionen nacheinander stattfinden lassen, verlieren wir nichts. Der Satz liest sich sogar besser:

"Er lachte, schulterte seinen Rucksack und winkte zum Abschied."

Wie ihr seht, habe ich sogar die Reihenfolge verändert. In diesem Beispiel spielt sie keine große Rolle, aber bei Gleichzeitigkeiten unterläuft einem sehr schnell der Fehler, dass die einzelnen Aktionen nicht in der logischen und zeitlich richtigen Reihenfolge stattfinden. Um obiges Beispiel weiter zu benutzen:

"Während er den Raum verließ, schulterte er zum Abschied winkend seinen Rucksack."

Das Beispiel ist nicht optimal, aber vielleicht erkennt ihr dennoch die "Unlogik", wenn ihr versucht, es euch vorzustellen. 
Erst einmal wird das gleichzeitige Winken und Rucksack schultern schwierig (siehe oben). Dabei noch laufen, vermutlich auch. Beim Verlassen des Raumes wird er sicherlich nach vorn gucken. Derjenige, dem er zum Abschied winkt, steht aber hinter ihm. Wenn er also den Raum bereits verlassen hat, braucht er nicht mehr zum Abschied winken. 
Sollte er nicht besser erst winken, dann den Rucksack schultern und erst danach den Raum verlassen? ...
Spitzfindigkeit? Möglich. Für mich gehört diese Spitzfindigkeit zum "guten" Schreiben und jonglieren mit Sprache dazu. Und das wollen wir doch alle, oder? Gute Bücher schreiben
Schreiben ist ein fortwährender Lernprozess. Seit ich mich im Rahmen meiner Lektorentätigkeit intensiver mit Sprache, Ausdruck, kurz: gutem Deutsch beschäftige, fallen mir viele Dinge erst auf. Bei mir selbst, aber auch bei anderen. 
Und genau darum geht es mir in meiner Überarbeitungsfibel: den Blick zu schärfen. Fehler und unschöne Schreibweisen aufzustöbern. An der Ausdrucksweise zu feilen. Dafür braucht ihr erst einmal keinen Lektor, das ist ja das Schöne. Vieles könnt ihr selbst erkennen, korrigieren und vor allem zukünftig vermeiden. Der Lektor erledigt dann nur noch den Feinschliff, aber die groben Schnitzer habt ihr selbst ausgebügelt.


TO DO LISTE - PUNKT 1:
Gleichzeitigkeiten erkennt man beim Überarbeiten schnell an den Wörtern "während", "gleichzeitig" und "als". Aber auch Verben, die mit "-end" enden, fallen hier rein: lachend, hinkend, nickend, kopfschüttelnd, sich umdrehend, von seinem Brot abbeißend .... Alles unschöne Gleichzeitigkeiten.
Diese Stellen bitte unbedingt markieren und prüfen, auch daraufhin, ob die richtige Reihenfolge der Aktionen eingehalten wurde.

In wenigen Tagen geht es weiter mit den beliebten Füll- oder auch Blähwörtern.

Wenn Du Hilfe brauchst, ich biete sowohl Lektorate an als auch Unterstützung beim Schreibprozess. Sprich mich einfach an. Mehr Infos zu meinem Service gibt es hier: Service für Autoren und Verlage.

Deine Sandra

Kommentare

  1. Hallo Sandra,
    ich bin keine Autorin (vielleicht später mal), aber ich finde deine Überarbeitungsfibel großartig, wirklich gute Beispiele und super erklärt!
    Liebe Grüße
    Daniela

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke schön für den lieben Kommentar. Das freut mich sehr! Dann bleib gerne dran, ein paar Punkte kommen ja noch ;)

      Liebe Grüße
      Sandra

      Löschen
  2. Hallo Sandra,

    du guckst dir Sprache sehr genau an. Das ist toll, solche Beiträge liebe ich.

    Ich finde, dass Gleichzeitigkeit manchmal gut funktioniert und manchmal eben nicht. Letztlich kommt es darauf an, dass beim Leser ein klares Bild im Kopf entsteht.

    „Lachend lief er zu ihr“ erzeugt ein anderes Bild als „Er lachte und lief zu ihr“. Man muss sich die Wirkung bewusst machen, da hast du recht, und mit Variationen experimentieren.

    Der inflationäre Gebrauch von Gleichzeitigkeitsfloskeln wie „während“ und „als“ liegt vielleicht drin begründet, dass man als Autor Ideen oft miteinander „verweben“ will, um komplexe „literarische“ Sätze zu bauen. Ich ertappe mich oft selbst dabei.

    Liebe Grüße

    Stephanie Lay

    AntwortenLöschen

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