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Leseprobe "Gezeitenlos - Im Strudel der Zeit"


GEZEITENLOS
Im Strudel der Zeit


Sicherheitschefin Alex Sturm wirft nichts so schnell aus der Bahn. Als sich unerklärliche Ereignisse häufen, zweifelt die selbstsichere Frau jedoch an ihrem Verstand. Erst behauptet ihr Mitarbeiter, von einem geheimnisvollen Seeungeheuer ange­griffen worden zu sein, dann erlebt sie ein besonders intensives Déjà-vu, das sich erschreckend real anfühlt.
Alex beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Ihre Nachforschungen erweisen sich jedoch als unerwartet riskant. Ohne Vorwarnung findet sie sich in der Vergangenheit wieder und muss sich nicht nur ihren tiefsten Ängsten stellen, sondern mit einer Situation fertig werden, die sich jeder Vorstellungskraft entzieht.

Leseprobe
Alex stieg aus und ging nach oben. Sie zog die nassen Kla­motten aus und ihr Schlafshirt an und machte es sich auf ihrem Lieblingssessel im Wohnzimmer bequem, um ein paar Minuten fernzusehen, ehe sie ins Bett ging. Ihr Mitbewohner Jan schlief tief und fest, deshalb genoss sie die Ruhe.
Vierundzwanzig Stunden zuvor war sie noch auf diesem Konzert gewesen, und nun saß sie fröstelnd zu Hause, nachdem sie ihrem Tod in Form mehrerer Maschinengewehrmündungen vor sich gesehen hatte. Hätte sie sich bloß die ganze Woche freigenommen, dann hätte Steffen nicht gewagt, sie früher zurückzurufen, sondern den Mist selbst übernommen.
Sie schloss die Augen und dachte an das Konzert und ihren Blackout zurück. Hatte dieser tätowierte Kerl ihr tatsächlich etwas ins Bier geschüttet? Oder hatte sie einfach nur zu viel getrunken? Für gewöhnlich kannte sie ihre Grenzen. Aber das Bier war billig und schmeckte, die Leute waren bis auf die blonde Tussi ihres Flirts freundlich und sie hatte den Abend wirklich genossen. Vielleicht zu sehr?
Jemand stieß sie mit dem Ellenbogen an, und sie riss vor Schreck die Augen auf.
Vor sich sah sie nicht ihr Wohnzimmer mit dem vollgestellten Couchtisch, sondern einen blank polierten Tresen mit Getränke­karten, Gläsern voller Salzstangen und Personen davor, die nach Getränken verlangten. Alles nur schwach von dem bläulichen Licht der Bar beleuchtet. Es war warm, laut und die Luft roch nach Kunstnebel und Schweiß.
Sie sah sich in dem Konzertsaal voller tanzender und grölender Menschen um. Die Musik kam ihr bekannt vor. Wieder wurde sie angestoßen, und sie drehte sich erneut um. Neben ihr stand ein Kerl mit Irokesenhaarschnitt und Lederjacke und einer Flasche Bier in der Hand.
»Geiles Outfit«, brüllte er ihr über die Musik hinweg zu.
Alex sah erst ihn verständnislos an und dann an sich herab. »Ach, du heilige Scheiße!« Sie trug noch immer das verwaschene Marineshirt, das sie häufig nachts trug. Sonst nichts. Keine Schuhe und auch keine Hose.
Wo eben noch ihr flauschiger Teppich gewesen war, fühlte sie nun klebrigen, kalten Steinboden unter den nackten Füßen. Ich bin auf dem Konzert, schoss es ihr in den Kopf. Wie war das möglich? Träumte sie?
Nein, das war real. Der Geruch, die Musik, der harte Tresen an ihrem Rücken. Dahinten konnte sie sogar den Sicherheitstypen erkennen, mit dem sie geflirtet hatte, nachdem Blondie ihren tätowierten Flirt hinausgezetert hatte.
»Alter Schwede!«, stieß sie aus, riss dem Punker die Flasche aus der Hand und nahm einen kräftigen Schluck.
»Hey, das ist meins!«
Alex ignorierte ihn. In der Flasche war Bier, kalt und erfrischend. Genau die Sorte, die sie auf dem Konzert getrun­ken hatte. Vor zwei Nächten. In Prag. Gut siebenhundert Kilometer von Kiel entfernt!
Panik rollte heran, schwappte über sie hinweg und riss sie in einem Strudel fort, der ihren Körper zu zerreißen drohte. Ihr wurde schwindlig, und Übelkeit stieg in ihr auf. Alex schrie.
Als sie die Augen öffnete, stand sie in ihrem Wohnzimmer, als wäre sie nie weg gewesen. Unter ihren nackten Zehen spürte sie den flauschigen Flokati, den sie so gern mochte. Die Musik war verschwunden, der Konzertsaal ebenfalls. Jan eilte herein, mit zerzausten Haaren und nur in Unterhose. »Alles in Ordnung?«
Sie starrte ihn an. Was war da gerade passiert?
Die Übelkeit wollte nicht verschwinden. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Wann hatte sie das letzte Mal etwas gegessen? War es so lange her? Nein, Mario und sie hatten sich noch schnell was vom Bäcker geholt, ehe er sie abgesetzt hatte. Das war keine Stunde her. Dennoch hatte sie Hunger. Schrecklichen Hunger!
»Nein«, antwortete sie langsam und versuchte, zu begreifen, was passiert war. Vielleicht war mit dem Brötchen etwas nicht in Ordnung gewesen? Obwohl ... so früh am Morgen waren die mit Sicherheit frisch gemacht. Jan sah sie noch immer fragend an.
»Ich glaube, ich ...« Sie sah sich verwirrt im Zimmer um. »Es war eine lange Nacht. Ich muss ins Bett.«
Ohne ein weiteres Wort drängte sie sich an ihm vorbei und lief in ihr Zimmer.
Sie war überreizt und müde und musste geträumt haben. Was auch sonst?




Gezeitenlos – Im Strudel der Zeit
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